Rendezvous am PICCADILLY.

Vanessa Simeonidis stellt mit einem Fingerwisch den virtuellen Motor ab und lässt ihren prüfenden Blick noch einmal über die ganz in Schwarz gehaltene Lederausstattung des Interieurs schweifen. „Ja, so gefällt er mir“, nickt sie zufrieden. Beim Exterieur mag es die Versicherungsanwältin sportlich-elegant: die Karosserie in Ibisweiß, die Aluminiumfelgen in Silber. Inzwischen kennt sie ihren neuen Audi A3¹ innen wie außen aus allen Perspektiven. Dabei ist er noch gar nicht gebaut. Stattdessen blickt sie auf eine raumhohe Multimedia-Wand in der weltweit ersten Audi City, die der Hersteller im Sommer 2012 am mondänen Piccadilly Circus in London eröffnet hat.

„Im Idealfall begleite ich meine Kunden ein ganzes Audi Leben lang.“

MICHELLE MENSAH, KUNDENBEZIEHUNGSMANAGERIN
IN DER AUDI CITY, LONDON

17 Hochleistungsrechner visualisieren dort das Audi Modell im Maßstab 1:1, das Simeonidis auf einem der sieben Multi Touch Tables im Showroom konfiguriert hat. Durch die zwei Millionen Pixel der Rückprojektionswände in LED-Technik erlebt sie jedes Detail im Innenraum so wirklichkeitsnah, als säße sie tatsächlich hinter dem Lenkrad ihres zukünftigen Wagens. Der Motorsound aus der Surround-Anlage mit 90 Lautsprechern klingt ebenso authentisch wie der satte Klang der Fahrertür, die Vanessa Simeonidis virtuell ins Schloss fallen lässt.

Vier dieser großformatigen Bildschirme, „Powerwalls“ genannt, kleiden den 420 Quadratmeter großen Ausstellungsraum in der Audi City fast vollständig aus. Alle Farben, Ausstattungslinien und Optionen der derzeit rund 40 Modelle von Audi können dort virtuell abgerufen und kombiniert werden. So entstehen je nach Kundengeschmack mehrere hundert Millionen Konfigurationsmöglichkeiten. Erstmals gelingt es damit einem Automobilhersteller, in einem Showroom die ganze Vielfalt seiner Modellpalette erlebbar zu machen. Eine Handvoll echter Exponate schlägt die Brücke vom virtuellen Modell zum realen Fahrspaß.

Mit dem Hightech-Konzept der Audi City betritt der Autobauer Neuland – aber das ist nicht die einzige Innovation. Auch den Job von Michelle Mensah gab es so bisher nicht. Sie arbeitet in der Londoner Audi City als Kundenbeziehungsmanagerin. Gerade hat sie Vanessa Simeonidis bei der Konfiguration ihres Wunschautos unterstützt. Michelle führt aber nicht nur Beratungsgespräche und organisiert Probefahrten. Sie bleibt die Ansprechpartnerin, wenn Simeonidis später ihren Audi A3 beispielsweise zur Inspektion in die Werkstatt bringen will. „Im Idealfall begleite ich meine Kunden ein ganzes Audi Leben lang“, beschreibt die junge Britin ihr weit gespanntes Aufgabengebiet.

Diese besondere Kundenbetreuung überzeugt auch David Parker. Der 45-jährige Unternehmensberater hat in der Audi City vor Kurzem seinen neuen Audi Q5² in Empfang genommen – und gleich noch einen A1³ dazubestellt. Auf eine Probefahrt verzichtete er. „Die Visualisierung an der Powerwall hat mir zusammen mit Michelles Beratung völlig genügt. Zudem kenne ich Audi schon lange. Ich vertraue der Marke“, sagt Parker.

So wie bei Audi in London nimmt die moderne Kommunikationstechnik im Leben von immer mehr Menschen einen festen Platz ein. Neun von zehn Kunden, die sich für ein neues Auto interessieren, informieren sich vorab im Internet. Zwei von drei beziehen über soziale Netzwerke die Erfahrungen anderer mit in ihren Entscheidungsprozess ein. Nicht ohne Folgen: Kamen vor zehn Jahren die Kunden im Durchschnitt noch etwa sieben Mal zum Händler, bevor sie den Kaufvertrag unterschrieben, reduzieren sich ihre Besuche mittlerweile auf durchschnittlich zwei. „Web-Technologien sind fester Teil des Alltags unserer Kunden. Das wird sich künftig noch stärker im Auftritt unserer Marke widerspiegeln“, unterstreicht Sven Schuwirth, Leiter Marken- und Vertriebsentwicklung. Solche Trends kristallisieren sich gerade in boomenden Metropolen wie der britischen Hauptstadt schnell heraus. „Deshalb wollen wir mit unseren Kunden dort in einen echten Dialog treten, der sich nicht nur mit unseren Produkten beschäftigt“, sagt Schuwirth. Gelegenheiten dafür wird es in der Audi City künftig viele geben: bei Ausstellungen, Vorträgen und Diskussionen zu Themen aus Kunst, Gesellschaft und Architektur.

„Vernetzung“ ist das Stichwort. Nicht zufällig hat der Autobauer den Verkehrsknotenpunkt Green Park als Standort für die Audi City gewählt. Sechs Bus- und drei U-Bahn-Linien treffen hier zusammen, der Piccadilly Circus ist nur eine Haltestelle entfernt. „Hier kommen wir mit den Menschen in genau dem Umfeld ins Gespräch, in dem sich ihr Leben tagtäglich abspielt: auf dem Weg ins Büro, bei schnellen Besorgungen nach Feierabend oder beim Shopping am Wochenende“, weiß der Marketing- und Vertriebsexperte. Direkt gegenüber empfängt das legendäre Luxushotel Ritz seine internationalen Gäste. „Rund 1.000 Kunden und Interessenten besuchen uns im Durchschnitt jede Woche“, berichtet Michelle Mensah. Auch ihr Verkaufsleiter dürfte zufrieden sein: Neun von zehn Kunden kaufen zum ersten Mal ein Audi Modell.

London markiert erst den Anfang einer neuen Ära virtueller Showrooms. Ende Januar 2013 eröffnete in Peking der zweite Standort – und bittet damit in China zum Rendezvous im Cyberstore.